Ideen bezüglich des größten Wohnimmobilienunternehmens Europas – Vonovia in der Analyse
Wir schauen auf Vonovia. Der Wohnimmobilienkonzern ist durch verschiedene Zusammenschlüsse und Übernahmen entstanden und hat ein gigantisches Portfolio von ca. 500,000 Wohnungen im eigenen Besitz und weiteren 100,000, die für dritte gemanagt werden. Ca. 90% dieser Wohnungen befindet sich in Deutschland und eine kleine Anzahl auch in Schweden und Österreich.
Analyse der Vonovia Aktie, Unternehmung oder des Sektors
Es gibt unterschiedliche Perspektiven auf Vonovia und alle diese Perspektiven sind wichtig bei der tiefergehenden Analyse. In diesem Abschnitt möchte ich (Philipp) einige dieser Perspektiven vorstellen. Die meisten Menschen schauen vor allem mit einer dieser Perspektiven auf Vonovia. Es ist trotzdem wichtig alle im Blick zu halten.
Perspektive 1: Vonovia, der Vermieter
Vonovia ist einer der größten Vermieter Europas. Leider habe ich keine genauen Zahlen gefunden, werde diese allerdings ergänzen, sobald ich diese doch finde. Auf Seiten der Vonovia findet man zumindest eine schwammige Bezeichnung:
Über eine Million Menschen, darunter Singles, Studenten, Paare, Familien und Senioren, vertrauen uns, unserem Angebot und unserem Service bereits.
Quelle: https://www.vonovia.de/de-de
Sind dies alles Mieter bzw. Bewohner der Vonovia Wohnungen? Oder eben auch Vermieter, die ihre Wohnungen über Vonovia anbieten und managen lassen oder gar Dienstleister? Zudem passt mir persönlich die Formulierung “Vertrauen uns” nicht so ganz, wie wir in der Perspektive Vonovia, der Miethai noch sehen werden.
Eine andere Herangehensweise ist, dass wir uns ansehen, wieviele Wohnungen Vonovia vermietet. Hier findet sich bei der gleichen Quelle die Angabe “knapp 550.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich”. Im Geschäftsbericht 2021 steht Folgendes:
Vonovia bewirtschaftet einen Wohnungsbestand von rund 505.000 eigenen Wohnungen in fast allen attraktiven Städten und Regionen Deutschlands. Dazu kommt ein Bestand von rund 38.000 Wohneinheiten in Schweden und rund 22.000 Wohneinheiten in Österreich…. Neben den eigenen Wohnungen verwaltet Vonovia rund 71.000 Wohnungen für Dritte.
https://report.vonovia.de/2021/q4/de/das-unternehmen/
Zusammengerechnet wären dies 636.000 Wohnungen. Also deutlich mehr als die knapp 550.000. Es wird spannend zu sehen, wie sich der Bestand im Zuge der Umstrukturierungen, Verkäufe und Deutsche Wohnen Übernahme in den nächsten Quartalen verändert. Zurück zum Mieterthema:
636.000 Wohnungen und betrachten wir mal die Leerstandsquoten:
Leerstandsquote Vonovia in % 2,2 (2021)
https://report.vonovia.de/2021/q4/de/ueberblick/
Leerstandsquote Deutsche Wohnen in % 2,4 (2021)
Rechnen wir einfach mal mit 2,3% Leerstandsquote und dies ergibt dann:
621.372 vermietete Wohnungen falls es 636.000 Wohnungen sind.
“knapp 537.350” vermietete Wohnungen falls es “knapp” 550.000 Wohnungen sind.
Wieviele Mieter leben nun in diesen grob 530.000 bis 620.000 vermieteten Wohnungen?
Haushaltsmitglieder je Haushalt – Deutschland – 2,02
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Familien/Tabellen/1-2-privathaushalte-bundeslaender.html
Umgerechnet:
2,02 x 530.000 = 1.070.000
2,02 x 620.000 = 1.252.400
Allerdings können wir davon ausgehen, dass die Haushaltsgrößen in Vonoviawohnungen eher kleiner sind. Dies liegt an den Gebieten, wo Vonovia einen Schwerpunkt im Portfolio hat. So ist die durchschnittliche Haushaltsgröße in Berlin nur 1,84 Personen pro Haushalt. Dies liegt allerdings auch daran, dass Vonovia eher etwas kleinere Wohnungen anbietet.
Wohnfläche je Einwohner in Quadratmetern 2021: 47,7
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36495/umfrage/wohnflaeche-je-einwohner-in-deutschland-von-1989-bis-2004/
Wenn wir diese durchschnittliche Wohnfläche nehmen, dann ergibt sich:
Und wie hoch sind die Mieten? Das ergibt sich aus der nächsten Übersicht:
Monatliche Ist-Miete in Euro/m2 – 2021 – 7,33
https://report.vonovia.de/2021/q4/de/kennzahlen/
Perspektive 2: Vonovia, der Miethai
Vonovia wird von verschiedenen Bürgerinitiativen, Politikern und Medien manchmal als Miethai bezeichnet. In Berlin gab es viele Demonstrationen mit Hunderten bis Tausenden Teilnehmern:
- gegen Mieterhöhungen
- für bezahlbaren Wohnraum
- für eine Enteignung (Vergesellschaftung) von Deutscher Wohnen (und Vonovia)
- für eine strikte Mietpreisbremse
Die Mieten liegen bei Vonovia Ende 2021 im Durchschnitt bei 7,33 Euro je m2. Die durchschnittlichen Mieten bei Neuvermietungen in vielen Kernregionen von Vonovia liegen deutlich höher. Beispiel hier das RheinMain Gebiet wie es das Handelsblatt berichtet: In Wiesbaden, Darmstadt und Mainz lagen die Neumieten bei ca. 13 Euro der Quadratmeter. In Frankfurt sogar bei 15,75 Euro. In Berlin, wo ein Schwerpunkt des Vonovia Portfolios liegt und auch ein Schwerpunkt der Kritik liegen Neumieten bei 13,68 Euro der Quadratmeter.
Die Bestandsmieten sind also auf den ersten Blick gar nicht besonders hoch, sondern das Problem bezieht sich vielleicht eher auf Neuvermietungen. Aber es gibt weitere, teilweise durchaus berechtigte Kritik bzw. berechtigte Sorgen:
- Die Mieten steigen an. Vonovia konnte die Mieten organisch um 3,8% in 2021 erhöhen und die Mieten stiegen auch in den Vorjahren jeweils um mindestens 3% jährlich.
- Die Nebenkosten schnellen in die Höhe. Insbesondere Ende 2022 und Anfang 2023 wird mit stark steigenden Nebenkosten wegen hoher Preise für Energie gerechnet.
- Vonovia verdient auch über Services, die dann gesondert in Rechnung gestellt werden und nicht direkt als Mieten bezeichnet werden.
Insgesamt kann man allerdings eher nicht von massiven Mietsteigerungen und einem Verhalten als Miethai sprechen. Gerade im Vergleich zu privaten Anbietern ist Vonovia eher kein Miethai und manche staatliche Anbieter nehmen Geld von Steuerzahlern um Mieten künstlich niedrig zu halten…. dies ist auf andere Weise auch keine gute Lösung.
Perspektive 3: Vonovia, der Arbeitgeber
Mitarbeiter, Anzahl (zum 31. Dezember) – 2021 – 15.871
https://report.vonovia.de/2021/q4/de/kennzahlen/
Vonovia hat die Zahl der Mitarbeiter in den letzten Jahren kontinuierlich aufgebaut. So stiegt diese Zahl von 8448 (2017) auf 10.622 im Jahr 2020 und machte nun mit der Übernahme der Deutsche Wohnen einen weiteren Sprung. Vonovia sucht auch aktiv nach Handwerkern und Mitarbeitern. Der Fachkräftemangel scheint auch hier ein Problem zu sein.
Wieviele Mitarbeiter gibt es nun im Vergleich zu den bewirtschafteten Wohnungen:
530.000 / 15.871 = 33,4 Wohnungen pro Mitarbeiter
620.000 / 15.871 = 39 Wohnungen pro Mitarbeiter
Auf den ersten Blick scheint dies angemessen zu sein. Weitere Erkenntnisse möchte ich in den nächsten Wochen und Monaten hier einfließen lassen. Die große Frage bei den Mitarbeitern ist, wieviele im Konzern angestellt sind und wieviele Mitarbeiter bei Subunternehmern arbeiten. Von daher könnte es mehr Sinn machen die Kostensituation zu betrachten.
Bei Kununu liegen 1102 Bewertungen zu Vonovia vor. Verdienste liegen zwischen 30.000 und 52.000 Euro. Vonovias Unternehmenskultur wird zwischen traditionell und modern angesehen. Eine Problematik, die manchmal angesprochen wird ist der große Unterschied zwischen Tarifbeschäftigten und Tariffreien Beschäftigten. Eine weitere Problematik ist, dass Mitarbeiter oft mit Menschen zu tun haben, die die Perspektive “Vonovia, der Miethai” haben und daher sind solche Gespräche oft konfliktreich!
Bei LinkedIn sind 1072 Personen als Mitarbeiter bei Vonovia gekennzeichnet. Dies ist eher eine niedrige Quote, was in dem Bereich aber auch nicht besonders verwunderlich ist. Auch auf Xing ist Vonovia mit verschiedenen Konzernunternehmen vertreten. Auch interessant: Es werden nach wie vor viele Mitarbeiter gesucht. Insbesondere Objektmanager, Grünpfleger, Techniker und Hausmeister.
Perspektive 4: Vonovia, die Aktie für Anleger
Kurzer Hinweis: Ich bin in Vonovia investiert. Dies einfach mal zur Transparenz gesagt.
Kommen wir zum Kernthema. Vonovia, die Aktie für Anleger! Vonovia ist erstmal eine ziemlich bekannte Aktie. Alleine auf Youtube gibt es Hunderte bis Tausende von Videos zum Thema. In meinem Portfolio gibt es eine Aktie ohne ein einziges Youtubevideo und andere sehr vielen Videos. Klar, Vonovia ist keine Tesla. Zu dieser Firma entstehen wohl hunderte Videos täglich. Aber in Deutschland gehört Vonovia zu den am meisten besprochenen Aktien.
Vonovia ist auch in vielen ETFs und Indices enthalten. Am bekanntesten aus Sicht Deutscher Anleger ist der Dax. Aber Vonovia ist auch in vielen europäischen Indizes und Indizes, die auf Immobilienfirmen enthalten und in entsprechenden ETFs.
Vonovia hatte ein eingetragenes Grundkapital Ende 2021 von 776.597.389 Euro auf 776.597.389 Aktien verteilt. Die Anzahl der Aktien hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Noch im Jahr 2013 gab es nur 251,5 Millionen Aktien. Einige dieser Erhöhungen können durch die Übernahmen erklärt werden, aber nicht alle. Dem Vonoviamanagement kann man also unterstellen, die Aktienanzahl kontinuierlich zu erhöhen bzw. den Anteil einer einzelnen Aktie am Gesamtunternehmen zu verwässern.
Handelsaktivitäten bei der Aktie: Mit am stärkten wird die Aktie über den XETRA Handel der deutschen Börse gehandelt. Es werden in schwachen Wochen so 3 Millionen Aktien von Vonovia gehandelt. In starken Wochen dagegen teilweise 20 Millionen Aktien. Durchschnittlich ca. 10 Millionen Aktien. Es bestehen also eigentlich immer viele Bids und Asks und ein sehr liquider Markt in der Aktie. Auch kann man Vonovia oft relativ einfach shorten und es gibt einen Optionsmarkt bezüglich Vonovia. Dabei gibt es eine einigermaßen gute Liquidität für Optionen, die nah am Geld liegen und für die großen Hexensabbate im Jahr. Aber auch jeden dritten Freitag im Monat sind wichtige Termine für Vonovia Optionen.
Die Eigentümerstruktur ist geprägt von passiv anlegenden Fonds und Privatanlegern. Persönlich sehe ich dies eher als nicht förderlich an. Es gibt eine große Passivität, welche dem Management großen Handlungsspielraum gibt, doch das Management ist nicht in erster Linie als Miteigentümer incentiviert, sondern als Angestellte mit Gehaltsbezügen. Es fehlt meiner Einschätzung nach eine Gruppe von Gründern oder ein Gründer mit großem Anteilspaket – was sich nicht mehr ändern lässt. Bzw. momentan fehlen aktivistische Investoren, die Vonovia weiterentwickeln wollen und die Eigentümerseite stärker vertreten wollen. Dies fehlt komplett.
Bezüglich Aktien ist natürlich noch zu erwähnen, dass der Handel der Aktie in Euro stattfindet.
Zudem gibt es eine kleine, unsponsored ADR. D.h. die ADR wird nicht direkt von Vonovia unterstützt. Custodian ist hier BNP Paribas und Depositary sind die üblichen Verdächtigen: JPM, Citi und BNY. Die letzten beiden Banken davon sind übrigens in meinem Portfolio und ich freue mich immer wieder solche Querverbindungen zu erkennen, da dies zeigt wie tief diese Banken im Finanzsystem integriert sind. BNP Paribas muss ich ggf. beim Custodian business ernster nehmen. Da sehe ich aber immer noch “meine” BNY Mellon und daneben State Street, JPM als führende Banken. Zwei ADR beziehen sich auf eine Vonovia Aktie. Der Ticker hier ist: VONOY. Während VNA (die Aktie) ja sehr rege auf Xetra gehandelt wird, ist der Handel mit VONOY sehr schleppend. Es werden nur ein paar Hundert Stück pro Tag Over The Counter gehandelt. Paar interessante Infos über das VONOY ADR gibt es hier über den Link.
Einige Bewertungsüberlegungen habe ich in einem Youtube Video angestellt. Hier geht es zum Vonovia Video von Marxen Brothers mit ein paar EV Bewertungen und Überlegungen.
Das Unternehmen hat eine jährliche Dividende gezahlt, wie bei deutschen Unternehmen üblich. Dabei konnte diese Dividende in den letzten Jahren leicht gesteigert werden, wird aber nun etwas sinken aufgrund der Belastungen durch die Deutsche Wohnen Übernahme.
Perspektive 5: Vonovia, die Unternehmung
Kommen wir zur Unternehmung Vonovia.
Zuerst einmal ist die Vonovia eine SE. Also eine Europäische Gesellschaft als Rechtsform. Die Überlegung dabei ist, dass es ein einheitlicher Rahmen für Handeln in mehreren europäischen Ländern sein soll. Vonovia zeigt mit dieser Rechtsformwahl ggf. schon, dass man die Expansion in unterschiedliche europäische Länder auf dem Schirm hat. Eine größere Unterscheidung zur deutschen AG ist auch, dass es bei einer SE eine Struktur mit einem Board geben kann, anstelle der typisch deutschen Aufsichtsrat und Vorstandsstruktur. An sich folgt die in Deutschland ansässige SE allerdings den Regeln für eine AG. Dazu kommen wir aber noch im Detail. Auch die übernommene Deutsche Wohnen ist eine SE.
Ein interessanter Punkt: Gagfah, eine Unternehmung, welche Vonovia übernommen hat, bzw. welche mit der Deutschen Annigton zur Vonovia wurde war in Luxembourg beheimatet mit einigen steuerlichen Vorteilen. Wie das bei den operativen Gesellschaften aussieht ist nochmal eine andere Frage und ob bei den Vonovia Portfoliowohnungen in Schweden und Österreich ggf. auch zusätzlich deutsches Recht zur Anwendung kommt weiss ich nicht.
Die Vonovia ist im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf unter HRB 68115 geführt. Der Hauptsitz liegt dagegen in Bochum an der Universitätsstraße 133.
Stellen wir kurz die Verbindung zur Aktienperspektive her: Vonovia berichtet auf den eigenen Seiten Quartalsweise. Dabei sind die Berichte manchmal solche Onlineberichte, die ich persönlich nicht sonderlich mag…. das Geschäftsjahr der Vonovia ist das Kalenderjahr.
Der Wirtschaftsprüfer war KPMG. Die Immobilienwerte werden zudem von führenden Unternehmen bewertet. Für das deutsche und österreichische Portfolio von Vonovia kam hier CBRE zum Zuge. In Schweden war es Savills Sweden AB und die Deutsche Wohnen wurde von JLL begleitet. Ich sehe hier kein Problem sondern halte diese Firmen alle für reputable Bewertungsfirmen. Spannend wird allerdings wie das Portfolio nun im Anbetracht stark gestiegener Zinsen bewertet wird. Hier würde mich durchaus interessieren, welche Property Appraiser hier mandatiert werden.
Das Geschäftsmodell ist einfach erklärt: Vonovia hält große Wohnimmobilienportfolios in Deutschland, Österreich und Schweden und könnte sich eine Expansion in andere europäische Märkte vorstellen. Vonovia legt einen Schwerpunkt auf mittlere und kleine Wohnungen vor allem in B- und C-Lagen von A- und B-Städten. Also zum Beispiel im äußersten Norden des Frankfurter Nordends (B-Lage in A-Stadt). Sehr viele Immobilien hat Vonovia über die Jahre durch Übernahme von großen Portfolios erhalten. In Deutschland liegen Schwerpunkte im Ruhrgebiet, Dresden, Berlin, RheinMain und Kiel unter anderen. Vonovia generiert Mieteinnahmen und versucht diese Miete langsam und im rechtlichen Rahmen zu steigern. Zudem werden teilweise Wohnungen weiterverkauft was oft zu deutlichen Gewinnen im Vergleich zum von JLL, CBRE et al ermittelten Werten führte. Zudem konnte Vonovia ordentliche Cashflows durch zusätzliche Tätigkeiten erreichen, z.B. Grünpflege, die dann ggf. auf die Mieter umgelegt werden kann, ohne, dass die Mietpreisbremse hier greift.
Vonovia hat zudem über die Jahre in die Sanierung von Immobilien investiert und hat viele Immobilien deutlich aufgewertet. Damit Vonovia möglichst profitabel arbeiten kann, versucht man eine Quartierssicht auf das Portfolio zu haben. In anderen Worten, man hat nicht 1000 Wohnungen verstreut über Frankfurt, sondern die meisten Vonovia Wohnungen liegen in Quartieren mit 10-20-100+ Wohneinheiten, die dadurch kostengünstiger bewirtschaftet werden können, als wenn es einzelne verstreute Immobilien wären.
Insgesamt kann man daher davon ausgehen, dass Vonovia durchaus einige Vorteile im Vergleich zu kleineren Privatvermietern hat.
Allerdings auch Nachteile, wie zum Beispiel die Kosten für die ganze Firmenstruktur, Kapitalmarktkommunikation und Regulation.
Vonovia hat einen Aufsichtsrat und Vorstand. Hierzu habe ich eine persönliche Meinung: Beide Gremien kommen mir persönlich als konfliktscheu und möglichst konsensbetont vor, was wiederum Vor- und Nachteile hat. Ein Vorteil ist, dass die schärfsten Aussagen und Kritik in Deutschland immer von und zu der Deutschen Wohnen SE ging und sich die Vonovia eher zurückgehalten hat. Andererseits scheint der sehr große Aufsichtsrat dem Vorstand in sehr vielem zu folgen und der Vorstand hier klar im Fahrersitz ist. Das Aufsichtsrat vertritt meiner Meinung nach zu wenig die Aktionärsinteressen, was auch an der passiven Aktionärsstruktur liegen könnte.
Zum Vorstand habe ich auch eine zweischneidige Meinung. Die einzelnen Mitglieder kommen mehr eher kompetent und einigermaßen Vertrauenswürdig vor. Also eine direkte “Halunkenherrschaft”, die ich bei Wirecard gesehen habe, sehe ich hier nicht. Allerdings typische Anzeichen von sehr nahen politischen Abstimmungen und Empire Building zu lasten der Aktionäre. Es werden immer mehr Übernahmen, oft finanziell und unternehmerisch sinnlos – durchgeboxt, welche Kapital vernichten. Als Hintergrund unterstelle ich dem Vorstand, dass sie eine möglichst große Unternehmung leiten wollen. Dabei finde ich zumindest gut, dass sie nicht komplett auf Konfliktkurs mit der Politik gehen. Aber sie opfern eben die Aktionäre.
Mehr Fragen ergab dagegen die Investition im Zusammenhang mit der Adler Gruppe. Es war für mich, aber auch für die meisten Kapitalmarktteilnehmer klar, dass Adler eine Kultur der “Plünderung der Kleinaktionäre” hatte und sehr schwache Aufsichtsstrukturen. Nachdem weitere Kritik von Viceroy hier geäußert wurde, investierte Vonovia massiv bzw. gab den Adler Aktionären einen Kredit. Ein ziemlich einmaliger Vorgang, der leider viele sehr kritische Fragen aufwirft. Vor längerer Zeit hatte ich ein Video mit Gabe auf meinem Kanal gemacht, in welchem ich ihn über die Shortselling Aktivitäten befragt habe. Adler war damals aber noch kein spezielles Thema.
Die Verschuldung von Vonovia ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und liegt so bei 68 Milliarden Euro. Die Nettoverschuldung liegt bei ca. 44 Milliarden Euro.
Dem gegenüber stehen Vermögenswerte im Immobilienbereich im Wert von 97,8 Milliarden gegenüber.
Die Kredite sind langfristiger Natur und die jetzigen Rekordwerte bei Immobilienzinsen haben sich noch kaum auf die Profitabilität von Vonovia ausgewirkt. Sollte das jetzige Zinsniveau allerdings noch ansteigen, und entscheidender: sollte es auch in den nächsten 2 Jahren so hoch bleiben, so werden sich die Zinskosten von Vonovia deutlich erhöhen. Es besteht aus dieser Sicht also durchaus eine mittelfristige Gefahr für die weitere Entwicklung der Dividende. Kurzfristig sehe ich persönlich keine Refinanzierungsschwierigkeiten für Vonovia.
Erwähnen möchte ich auch, dass Vonovia eine eigene Bauentwicklungsgesellschaft hat. Wie andere Firmen auch, ist man hier durch Fachkräftemangel und Lieferkettenprobleme betroffen, die außerhalb des Verantwortungshorizontes des Managements liegen. Es werden einige Ziele beim Zubau auch nicht erreicht und es bleibt fraglich, ob der Baubereich einen zusätzlichen Nutzen für Vonovias Aktionäre liefert.
Was sollte geschehen um Wert zu generieren. Einige Punkte sind auf gutem Weg, insbesondere das Quartalsprinzip macht Sinn. Es gibt aber auch Punkte, in denen ich persönlich eine ganz andere Meinung vertrete als das Management. Diese Punkte möchte ich hier zusammenfassen:
- Das Aufsichtsrat braucht stärkere Persönlichkeiten mit stärkerer Shareholder Value Orientierung.
- Der Vorstand sollte möglichst sofort Empire Building einstellen.
- Neubau sollte eingestellt werden mit der Ausnahme von Aufbauten auf bestehenden Gebäuden und Verdichtung bestehender Flächen. Also keine Neuflächen kaufen und Entwickeln.
- Es muss für Mieter mehr Transparenz im Bereich Nebenkosten geschaffen werden.
- Die Ausgabe neuer Aktien bzw. Ausweitung des Kapitals muss unbedingt gestoppt werden. Eine weitere Verwässerung ist nicht zulässig.
- Notfalls muss Dividende hinter dem Punkt 5 zurück stehen. Eine Verwässerung plus Dividenden ist eine klar Wertvernichtende Strategie.
- Adler darf nicht mehr weiter unterstützt werden und diese Investition muss aufgeklärt werden.
- Der Vorstand muss klare langfristige Ziele formulieren.
- Free Cashflow muss eine Priorität haben und die Reports von FCF und FFO pro Aktie und die Entwicklung der Verschuldung sollen im Vordergrund stehen.
Die Vermögenswerte der Vonovia sind gewaltig und ich bin persönlich investiert. Die Möglichkeit eines Turnarounds sind auch gewaltig, aber die Strukturen sind momentan darauf ausgelegt, dass es eine underperformance im Vergleich zu einem virtuellen Portfolio in den gleichen Städten mit dem gleichen Leverage gibt.
Perspektive 6: Vonovia als Gradmesser des Immobilienmarktes und Volkswirtschaftliche Größe
Vonovia ist der größte Privatwirtschaftliche Vermieter Deutschlands. Es ist ein Unternehmen welches durchaus eine große volkswirtschaftliche Relevanz hat. Dabei ist diese Relevanz allerdings eher passiver Natur. Eine Bayer, BASF oder VW verkauft ihre Produkte weltweit und muss immer wieder im Wettbewerb bestehen. Vonovia ist dagegen stark reguliert und die Innovation somit eingeschränkt. Es wird auch keine chinesische Firma plötzlich günstigen Wohnraum in Kiel anbieten.
Vonovia ist daher nicht unbedingt ein Faktor für die volkswirtschaftliche Entwicklung, sondern eher umgekehrt, die volkswirtschaftliche Entwicklung ist der wichtigste Faktor für Vonovia. Falls die Firma keine großen Fehler macht sollte sie sich ähnlich entwickeln, wie die Faktoren dies anzeigen. Zu diesen Faktoren zählt die Lohnentwicklung und allgemeine Wirtschaftsentwicklung in den Metropolregionen Deutschlands, die Migrationsbewegungen, die Energieproblematik, die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen und auch die Haushaltsentwicklung und Geburten- und Sterbezahlen, wie auch die Zinsentwicklung und Verschuldung der Wirtschaft. In den letzten Jahren seit 2005 waren die meisten dieser Trends stark positiv, was zu starken Miet- und Kaufpreiserhöhungen geführt hat.
In den nächsten Jahren sehe ich hier eine weniger positive Entwicklung. Die Zinsen sind deutlich gestiegen und die wirtschaftliche Situation trübt sich ein. Die Mietkosten im Vergleich zum verfügbaren Einkommen sind deutlich höher als im Jahr 2005. Eine prozentuale Ausweitung sehe ich dabei nicht mehr, sondern im Gegenteil, steigende Kosten für Energie und Lebensmittel werden den Haushalten eher weniger Spielraum für Mieten geben. Zudem steht die deutsche Wirtschaft vor einer Rezession. Noch sind die Migrationsbewegungen stark, insbesondere in den unteren Bereich, aber es gibt auch hier eine Schere: Während viele gut ausgebildete Menschen Deutschland verlassen wandern sehr viele ärmere Menschen ein. Momentan aus nachvollziehbaren Gründen viele Flüchtende Frauen und Kinder aus der Ukraine, die zumindest kurzfristig die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum nochmal anheizen. Sollte sich diese Migrationsbewegung umdrehen, so entstehen plötzlich Hunderttausende freier Wohnungen, wenn man von ca. 1 Million nach Deutschland geflohenen Ukrainern ausgeht.
Aber es könnten auch weitere Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kommen, z.B. im Zuge der Proteste im Iran könnte es eine Fluchtbewegung Richtung Deutschland geben. Momentan gibt es dazu aber noch keine Anzeichen.
Als großes Unternehmen spielt Vonovia auch eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von modernen Heizung- und Luftfilterkonzepten. In der Vergangenheit wurde noch zu stark auf Gas gesetzt. Hier hoffe ich auf eine Wende hin zu Konzepten, die sich dauerhaft auch finanziell auszahlen werden. Im Bereich der Energieversorgung sehe ich hier noch deutliche Chancen.
Perspektive 7: Vonovia als reguliertes Unternehmen
Wohnungsbau und -vermietung ist in den meisten Ländern reguliert. Hierbei gibt es Länder mit größerer Freiheit als Deutschland, insbesondere Gebiete der USA, Hong Kong und Großbritanniens. Aber es gibt auch durchaus Länder, in denen Vermietungen teilweise härter reguliert sind. Interessanterweise gehören einige der wirtschaftlich freisten Länder zu einer Gruppe von Ländern, die relativ stark in den Immobilienmarkt eingreift. Dazu gehört Luxembourg, die Schweiz und Singapur. In diesen Ländern spielt der Immobilienmarkt eine wichtige Rolle im Sozialsystem und es werden die Möglichkeiten stark eingeschränkt mit Immobilien Geld zu verdienen. Zudem hat es gerade auch Singapur geschafft erste Widerstände zu überwinden indem man es geschafft hat zu zeigen, dass es möglich ist schnell, günstig und gute Qualität staatlich zu bauen. Das Desaster rund um den Flughafen Berlin zeigt dagegen, dass ein stärkerer staatlicher Eingriff in den Markt wahrscheinlich in einem Desaster enden würde.
Persönlich bin ich der Meinung, dass Deutschland die Digitalisierung verschlafen hat und eines der am stärksten regulierten und besteuerten Länder der Welt ist. Dies lässt sich auch anhand vieler Grafiken zeigen. Ich bin aber auch der Meinung, dass insbesondere Arbeit niedriger besteuert sein sollte als Immobilieneinkommen und dass Einnahmen aus unsicheren und innovativen Wirtschaftsgeschäften niedriger besteuert sein sollten als Immobilieneinnahmen. Deutschland ist bisher einen anderen Weg gegangen. Singapur und die Schweiz sind meiner Ansicht nach eher positive Beispiele. Im Vergleich zu Hong Kong sehe ich aber auch hier ein Vorteil in Singapur, wo Wohnraum günstiger ist und der Wirtschaftsentwicklung nicht im Wege steht.
Eine solche politische Diskussion würde allerdings sicherlich den Rahmen dieses Artikels sprengen. Abschließend noch folgende Anmerkungen:
- Der Artikel lebt und wird alle paar Wochen oder Monate mal weiterentwickelt.
- Meinungen können sich natürlich ändern.
- Und es können sich in meinen Punkten auch Fehler einschleichen, die ich versuche zu beheben.
- Auf Youtube wird es einige Updates geben und ich freue mich immer auf die Diskussion mit Euch.
- Ich plane auch auf Youtube eine Diskussion über eine Sicht von Vonovia auf eine Wohnung runter gebrochen.
- Im Jahr 2021 hatte der deutsche Immobilienmarkt Höchststände erreicht. In den nächsten Monaten wird der Markt stark unter Druck kommen. Dies wird zu vielen neuen Risiken und Chancen führen.