Bankeinlagen fallen wie noch nie! 

Dies ist ein kurzer Artikel über ein Thema, welches ich bei der Analyse von Banken in den letzten Quartalen immer wieder beachtet habe. Doch es scheint bisher wenig Diskussion über dieses Thema zu geben. 

Das ständige Fallen von zinsfreien Bankeinlagen! 

Hier mal als Beispiel der Bank of America. Eine der am besten finanzierten Banken der Welt. Wie schon mehrfach beschrieben ist es eine Bank, die sich günstiger refinanzieren kann als fast alle anderen Banken und somit könnte die Bank of America auch günstigere Produkte anbieten und damit die besten Kreditrisikogruppen gewinnen. Ein sehr gutes Vorgehen. 

Hier sehen wir die zinsfreien Bankeinlagen der Bank of America in den letzten Jahren:

Von 2016 bis 2019 gingen die zinsfreien Einlagen leicht zurück. In den Coronajahren 2020 und 2021 stiegen sie dagegen stark an.

Aufschlussreicher ist der Blick auf die einzelnen Quartale:

Hier zeigt sich deutlich der starke Anstieg seit Anfang 2020 aber auch der starke Abfall in den letzten beiden Quartalen Mitte 2022. 

Diese Entwicklung der Non-Interest Bearing Deposits zeigt sich so bei fast allen großen amerikanischen Banken. Hier mal einige in der Übersicht. Bei der Citigroup war es besonders volatil und die Deposits Ende 2019 besonders stark gefallen. 

Wells Fargo zeigt ein ähnliches Bild: Abfall bis 2019, danach steiler Anstieg und nun fallen die Zahlen wieder.

Gleiches Bild zeigt sich bei vielen anderen führenden US Banken, die ich hier nicht näher besprechen möchte. Eine Anmerkung: Auf Spezialbanken und fast reine Investmentbanken werde ich hier nicht so eingehen. Sondern ich stelle vor allem Banken vor, die im normalen Kundengeschäft mit Privat- und Unternehmenskunden aktiv sind.

Das Bild ist also fast immer das gleiche bei den Banken. 

Fed Zinserhöhungen 2017-2018

Ab Ende 2016 startete die FED einen Zinserhöhungszyklus in den USA. Ausgangspunkt waren rekordniedrige Leitzinsen von nahe 0. Anfang 2019 erreichten die Zinsen dann ca. 2,4%. Diese Dynamik führte auch dazu, dass es unattraktiv wurde zinslose Einlagen in den Banken zu haben, wenn es gleichzeitig wieder Leitzinsen gab. Die zinslosen Einlagen verringerten sich im Zeitraum 2017 bis Anfang 2019 etwas. Es gab kein großer Fall, sondern ein zurückgehen der Einlagen. 

Was passierte im September 2019?

Um die Bedeutung einzuschätzen, macht es Sinn, sich die Vergangenheit anzusehen. Im Jahre 2019 stoppte die FED die Zinserhöhungen, doch blieben die hohen Zinsen noch eine Zeit bestehen. Viele Zinserhöhungen funktionieren erst mit einer zeitlichen Verzögerung, bis sie durch die Systeme arbeiten. Die zinslosen Einlagen gingen 2019 weiter zurück und dieser Rückgang wurde teilweise durch eine Rückgang der Cashreserven ausgeglichen. Es kam also bei den beiden Posten zu einer Bilanzverkürzung. Auf der Passivseite fielen Verbindlichkeiten weg. Auf der Aktivseite fiel Cash weg. Hier sehen wir diese Trends wieder beim Beispiel Bank of America: 

Entscheidend war zudem, dass gleichzeitig die Nettokredite Ende 2019 weiter stiegen, wie wir im nächsten Chart sehen.

Dies alles führte zu einer explosiven Situation im Bankensystem, denn es betraf die meisten Banken. Die Trends waren schon jahrelang gegeben, aber erst im September äußerte sich dies schlagartig. 

Quelle: Federal Reserve https://fred.stlouisfed.org/series/FEDFUNDS 

Wir sehen hier gut, wie die Overnight-Kreditraten am 16. und 17. September plötzlich komplett durch die Decke gegangen waren. Das Bankensystem hatte einfach nicht genug Liquidität, da auf den jahrelangen Trend von fallendem Cash nun auch noch eine Steuerproblematik bei vielen Kunden kam. Die Federal Reserve reagierte und fing wieder mit “Gelddrucken” bzw. Einer Art quantitative Easing an und die Zinsen wurden schon vor der Pandemie deutlich gesenkt. 

Wie steht das Bankensystem 2022 da? 

Die Banken haben sehr hohe Investmentassets und Cashreserven aus dem Jahr 2020 und 2021. Die Frage ist allerdings, wie liquide diese Werte sind und zu welchen Preisen diese Assets verkauft werden können. Gefährlich ist bisher nicht, dass die zinslosen Einlagen zurückgegangen sind. 

Gefährlich ist aber die Geschwindigkeit, mit der dies passiert und die Frage, wie lange dieser Trend noch anhält. 

Ausblick: Liquiditätssituation im Q1 2023 im Bankensystem

Falls – und dies ist ein großes Falls, die Federal Reserve sowohl mit Zinserhöhungen, als auch mit dem Auslaufen lassen der eigenen Bilanzwerte weiter die Finanziellen Konditionen strafft, so wird das Bankensystem im ersten Quartal 2023 in erste Herausforderungen der Liquidität kommen. In den letzten beiden Quartalen haben die amerikanischen Banken netto weiter Kredite vergeben. Gleichzeitig sind die zinslosen Einlagen auf der Passivseite um ca. 10% pro Quartal gefallen. Wenn wir davon ausgehen, dass diese auch im Q4 2022 um durchschnittlich 10% fallen werden und dies im ersten Quartal anhält, so müssen wir sehen, wie dies passieren könnte. 

Kurzfassung: Ohne Stopp der Bilanzsummenreduktion der Fed und ohne Zinssenkung müssen wir wohl im März/April mit einer angespannten Liquiditätssituation bei Banken rechnen.

Wie können Banken reagieren?

Zuerst handelt es sich um ein Phänomen auf der Passivseite der Bilanz. Grob gesagt, kann dies durch zwei Wege bereinigt werden: 

  1. Bilanzsummenneutral.
  2. Bilanzsummenreduzierend. 

Bilanzsummenneutral bedeutet, dass die Reduktion der zinslosen Einlagen durch die Erhöhung anderer Positionen auf der Passivseite der Bilanz ausgeglichen wird. Also wenn zum Beispiel verzinste Einlagen und das Eigenkapital (z.B. durch Gewinne) steigen. Falls dies der Fall ist, so kann zwar die Bilanzsumme neutral gehalten werden, die Durchschnittskosten für die Finanzierung der Bank steigen allerdings an, was – wenn alles andere gleich ist – zu niedrigeren Gewinnen und fallenden Nettozinsmargen führt und damit zu weniger zusätzlich gebildeten Eigenkapital. 

Bilanzsummenreduzierend bedeutet nun, dass die Reduktion der zinslosen Einlagen teilweise oder vollständig durch Reduktion von Aktivpositionen ausgeglichen wird. Einfach formuliert: Es werden 100 Millionen an zinslosen Einlagen abgezogen und der Cashbestand der Bank (auf der Aktivseite) sinkt um diese 100 Millionen. Es kommt also zu einer Bilanzsummenreduktion auf beiden Seiten der Bilanz von 100 Millionen. 

Anfangs kann dies gut durch die hohen Cashreserven ausgeglichen werden, aber was, wenn die Nettokredite auf der Aktivseite weiter ansteigen? Genau dies passiert gerade bei vielen Banken. Wir haben also ansteigende Nettokredite, wobei ja letztlich Cash in neue Kredite umgewandelt wird und wir haben einen Cashabfluss (zumindest teilweise) um die aufgelösten zinslosen Einlagen zurückzuzahlen. Gleichzeitig steigen die zinstragenden Einlagen an. 

Kommt eine Bankenkrise? 

Nicht unbedingt. 

Die FED hat die Vorgänge im September 2019 genau studiert und hat mittlerweile wohl bessere Instrumente hier eingreifen. Gleichzeitig sind die Banken noch relativ gut mit Liquidität ausgestattet. Aber: Der Trend ist durchaus besorgniserregend. 

Gehen wir mal von rationalem Handeln der Banken aus. So würde ich als Bank CEO handeln: 

  1. Die Nettokreditvergabe etwas drosseln und auch in Antizipation der kommenden Rezession nur noch die langen und guten Kunden weiter finanzieren, aber nicht neue Kunden oder Kunden mit besonders schlechten Kredithistorie. 
  2. Wo es geht, versuchen günstig zinstragende Einlagen akquirieren
  3. Um dies auszugleichen auch auf der Assetseite versuchen bei der Kreditvergabe etwas höhere Zinsen durchzusetzen, aber dies soll nicht bedeuten schlechte Kreditrisiken zu finanzieren. 
  4. Beim Cashpolster Marken einsetzen, die einen Alarm intern im Bankmanagement auslösen um nicht überrascht zu werden. 
  5. Staatsanleihen und MBS langsam von der Bilanz rollen lassen und das Cash von diesem abrollen einplanen.
  6. Dividenden weiter zahlen, aber Aktienrückkäufe reduzieren oder ganz einstellen, um möglichst viel Cash in der Bank zu halten. 
  7. Frühzeitig auch mit der FED sprechen und dort einen heissen Draht zu den entscheidenden Stellen aufbauen. Die Fed soll wissen, dass die Bank vorausschauend auf die Liquidität achtet. 

Wenn dies alle Banken machen, wozu führt dies nun:

  1. Kreditvergabe wird massiv eingeschränkt. Dies führt zu einem sich selbst verstärkenden Prozess.
  2. Kreditausfälle mehren sich. 
  3. Es müssen dann weitere Abschreibungen geschaffen werden und das Eigenkapital geht zurück. 
  4. Auch die Cashposition in den Banken geht ggf. Zurück. 
  5. Neue Projekte und Investitionen bei Kunden werden zurückgestellt und erstmal verschoben. 

Auch wenn die einzelnen Banken vielleicht gut durch diese Situation kommen, so wird es insgesamt ein Stress für die Realwirtschaft sein. 

Insbesondere Haushalte und Unternehmen, die von Krediten und Refinanzierung in den nächsten 2-3 Quartalen abhängig sind kommen schwierigere Zeiten zu. Dies könnte zum Beispiel zu höheren Kreditraten bei Kreditkarten und zu engeren Konditionen für Kreditkarten kommen. Auf der anderen Seite sollten insbesondere im Dollarraum für Sparer sehr gute Möglichkeiten für Tagesgeld entstehen!

Eine herausfordernde Situation kann somit nicht ausgeschlossen werden. Jetzt Ende November 2022 sehen wir in den kurzfristigen Daten, dass die Trends der Reduktion zinsloser Einlagen wohl auch im vierten Quartal 2022 weitergehen.

Gleichzeitig steigt der S&P auf ein hohes Niveau. Der breit gefolgte SPY ETF steht wieder bei über 400 Punkten.

Ein Aktienmarkt-Niveau, das der kommenden herausfordernden Situation so nicht gerecht wird. (Eigene Meinung)

Es könnte formuliert werden, dass die Märkte vor einer Zuspitzung der Lage schon ein Eingreifen der FED erwarten. Dies müsste meiner Ansicht nach aber spätestens im Januar nächsten Jahres passieren, da sich sonst diese Trends kaum abfangen lassen werden. 

Ich werde die Entwicklung der zinslosen Einlagen und der Liquidität bei Banken weiter im Auge behalten und hier berichten.

Diese Entwicklung der Bankeinlagen bietet eine gute Basis für meine Shortspekulation. Ich sehe dadurch frühzeitig, wann die Banken die Kreditvergabe stark einschränken müssen.