Brasilien nach der Wahl

Die brasilianische Gesellschaft ist nach der Präsidentschaftswahl ähnlich stark gespalten wie vor der Wahl. Eine direkte bewaffnete Konfrontation der Lager ist zwar ausgeblieben, aber nach wie vor stehen sich die Unterstützer Bolsonaros und Lulas unversöhnlich gegenüber. Dies hat auch Auswirkungen auf die Unternehmen, die in Brasilien ansässig sind. 

PIX Steuer ein Gerücht?

Im November kursieren Gerüchte in Brasilien, dass der neue-alte Präsident Lula nun Zahlungen über PIX besteuern möchte. Reuters berichtet in diesem Artikel, dass es sich um ein unbestätigtes Gerücht handelt und Lula in keiner öffentlichen Rede oder Absichtserklärung die Besteuerung angedacht hat

PIX ist das staatliche, brasilianische Zahlungssystem, über welches mittlerweile ein Großteil der kleinen elektronischen Zahlungen zwischen Verbrauchern und Geschäften abgewickelt werden. Das System hat sich erstaunlich schnell verbreitet und ist in der Bevölkerung beliebt.

Angespannte politische Lage 

Hintergrund ist auch, dass die Lage nach den Präsidentschaftswahlen am 30. Oktober angespannt ist. Die Wahlkommission bestätigte Lula als Sieger mit ganz knappen Vorsprung vor Bolsonaro. Viele Brasilianer glauben allerdings nicht an eine freie und faire Wahl. Bolsonaro hat bisher besonnen, mäßigend und eher zurückhaltend reagiert. Ein gefürchtetes Szenario wie nach der Wahl von Joe Biden und den ständigen verbalen Attacken von Donald Trump ist in Brasilien ausgeblieben, allerdings gab es überall im Land, insbesondere im Süden und Westen, Proteste gegen Lula. 

Bolsonaro – Lula die Wahl der Qual…

Beide Kandidaten sind im Lager des jeweiligen Gegners äußerst unbeliebt. Die Gründe für die Ablehnung gegenüber Bolsonaro kamen auch in deutschen Medien häufig zur Sprache, zum Beispiel die Zerstörung des Regenwaldes, seine Coronapolitik und Äußerungen, dass korrupte Beamte getötet werden sollten. Allerdings zeichnen deutsche Medien ein extrem einseitiges Bild von Bolsonaro. Auf die vielen Verbesserungen wird nicht eingegangen und gleichzeitig wird er in der Tagesschau immer wieder als “rechtsextrem” bezeichnet. Die Tagesschau erklärt warum sie dies tut. Andere Staatschefs, auf welche diese Punkte genauso oder viel stärker zutreffen werden dagegen nicht als rechtsextrem bezeichnet. Es ist also eine einseitige Berichterstattung – allerdings aufbauend auf einigen durchaus bedenklichen Punkten! 

Lula wird dagegen in deutschen Medien sehr positiv dargestellt. Fakt ist allerdings, dass unter Lula das größte Korruptionssystem Brasiliens entstand und viele Milliarden geklaut wurden. Die hohen Rohstoffpreise unter Lula erlaubten ihm, zusätzlich kleine Vergünstigungen für Arme zu schaffen, während die Wirtschaft außerhalb der Rohstoff- und Bauwirtschaft immer schwächer wurde. 

Wer wählte wen im Oktober 2022

Insbesondere die besser gebildeten Brasilianer, die Mittelschicht, die arbeitende Bevölkerung, die Lastwagenfahrer, der Süden des Landes und Personen, die lieber lokal organisieren, ziehen Bolsonaro vor. Lula hat dagegen seine Anhängerschaft vor allem im armen Nordosten, wo Menschen Lula für die Almosen dankbar sind, die sie während seiner Präsidentschaft bekamen. Gerade der Nordosten ist eine Gegend, wo viele Menschen in großer Armut außerhalb normaler Unternehmen arbeiten und daher sowieso von staatlichen Steuern und Bürokratie wenig betroffen sind. Überlegungen über die brasilianische Industrie und eine moderne Wirtschaft spielen dort keine Rolle. Häufig sind diese Gebiete von eher starren Strukturen von Arm und Reich und wenig Mittelschicht geprägt.

Ein Widerspruch, der so in den deutschen Medien nicht vorkommt! Dort, wo Brasilien einigermaßen funktioniert und die Menschen in formalen Jobs trotz hoher Steuern und Bürokratie arbeiten, wird Bolsonaro gewählt. Die Menschen wollen weniger Steuern, weniger Bürokratie und möglichst, dass es im ganzen Land so wird und fürchten sich vor Zuständen wie im Nordosten. Vor Kriminalität, extremer Armut und dem Niedergang der brasilianischen Wirtschaft.

Dort, wo die gleichen Steuern und die gleiche Bürokratie zwar auf dem Papier existieren, aber nicht in der Lebensrealität der meisten Menschen, wird Lula gewählt. Industriepolitik spielt dabei eine geringe Rolle und im Mittelpunkt steht, wie viel Geld unmittelbar an arme Familien gezahlt wird. Da hatte Lula klare Erfolge mit seinen Programmen.

Persönliche Meinung: Ich bin froh, nicht in Brasilien wählen zu müssen…

Kann Alckmin die Lage entschärfen? 

Lulas Vizepräsident ist der ehemalige Sozialdemokrat Alckmin. 

Alckmin wuchs im industrie-starken Bundesstaat Sao Paulo auf, studierte Medizin im Bundesstaat Sao Paulo und arbeitete dort in einem öffentlichen Krankenhaus. In Sao Paulo war er später mehrfach Gouverneur. Ihm werden enge Kontakte zu Gewerkschaften und zur Wirtschaft nachgesagt. Seine Positionen werden als “in der politischen Mitte stehend” beschrieben.

Durch ihn besteht zumindest die Hoffnung, dass er versuchen wird, dass Wirtschaft, Gewerkschaften und Mittelstand nicht stark leiden werden und die Wirtschaft Brasiliens nicht einseitig auf Rohstoffe ausgelegt wird. 

Alckmin ist eher ruhiger ohne viele Skandale, wobei auch ihm Wahlkampffinanzierung durch Rohstoff- und Baufirmen nachgesagt wird. Ob er helfen kann, die Lager einander näher zu bringen, muss sich allerdings erst zeigen. 

Steuern und Auxilio Brasil

Die Sozialhilfeprogramme wurden unter Bolsonaro zur Auxilio Brasil zusammen gefasst. Diese Entscheidung war und ist kontrovers. Etwa 44% der Bevölkerung waren in Umfragen dagegen, während 41% der Bevölkerung dafür waren. Die Frage bleibt, wie Sozialhilfeprogramme und vor allem größere Sozialhilfeprogramme finanziert werden sollen. Lulas Basis beinhaltet vor allem ärmere Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind und für die eine höhere Sozialhilfe der wichtigste Wahlgrund war. 

Um dies umzusetzen, muss Lula ggf. versuchen, die Verfassung zu ändern, um höhere Steuern und höhere Schulden zu machen, um kurzfristig Zahlungen an Bedürftige (und vor allem seine Wähler) zu finanzieren. 

Auseinandersetzung und Aktienmärkte

Die Märkte reagieren bisher mit leichter Anspannung auf die Auseinandersetzung. Der Brasilianische Real ist Ende Oktober Anfang November zwar um ca. 10% gefallen, hat sich dann aber auch gefangen und tendiert insgesamt in den letzten 6 Monaten seitwärts. Eine Flucht aus brasilianischen Aktien und aus der brasilianischen Währung hat es also nicht gegeben. Anders war oder ist die Lage in Kolumbien, wo die Wahl Petros deutlich stärkere Spuren im Wechselkurs und an den Märkten hinterließ. 

Quelle: Tikr

Sondersituation Pagseguro

Pagseguro ist noch etwas stärker als StoneCo und Nubank von der politischen Polarisierung betroffen. Manche Gruppen wollen daher Pagseguro nicht mehr nutzen. Ob dies allerdings einen Einfluss auf die Unternehmenszahlen haben wird, muss sich erst noch zeigen. Ich glaube, dieser Einfluss wird gering sein. Allerdings sind alle diese brasilianischen Aktien, die wir hier auf dem Blog schon besprochen haben, auch durchaus von der politischen Unsicherheit betroffen. Die Straßenblockaden sind zudem negativ für die Wirtschaft.