Dividenden oder Aktienrückkäufe

Die Debatte

Es besteht eine rege Debatte darüber, wie börsennotierte Firmen ihre Kapitalallokation gestalten sollten. Jeder BWLer kennt auch schon die richtige Antwort: “Es kommt darauf an”! 

Auf was es ankommt und was gute, schlechte und hässliche Kapitalallokation ist, besprechen wir in diesem kleinen Artikel. 

Modigliani-Miller Theorem

Eine Ausgangsüberlegung ist das Theorem von Modigliani Miller. Die beiden Wissenschaftler haben eine Modellwelt beschrieben und formuliert, dass Kapitalallokation bzw. enger formuliert, Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufe irrelevant sind. 

Die Grundlage des Theorems besagt, dass in einer Modellwelt, die Finanzierung einer Unternehmung irrelevant ist und der Unternehmenswert (EV) gleich bleibt.

Die theoretischen Voraussetzungen als Grundlage dieser Modellwelt sind, dass Märkte effizient sind und dass Kapitalallokation keine Auswirkungen hat. Falls: Es keine Informationsassymetrie gibt, es keine Bankrottkosten gibt, es keine Agencyproblematik gibt und auch keine Steuern. 

Genau daher ist das Modigliani Miller Theorem wichtig: Es besagt letzltich, dass Kapitalallokation und Finanzierung von Unternehmen in der Realität hochgradig relevant sind und man eben die einzelnen Annahmen abgeprüft werden müssten. 

Regulation – was Modigliani/Miller vergessen hat

Eine weitere wichtige Problematik ist die Regulation. Ein Thema, welches so direkt nicht in den Annahmen für das Theorem mit einbezogen wurde, aber trotzdem relevant ist, insbesondere bei unterschiedlicher Regulation jeweils auf die Finanzierungsstruktur bezogen. 

Im Folgenden gehe ich mal alle einzelnen Annahmen durch und zeige, wie relevant Kapitalallokation sein kann.

Informationsasymmetrie und Kapitalallokation

In der Realität gibt es klare Informationsasymmetrien. Ich versuche mein bestes als potentieller Aktionär die Nubank Aktie zu analysieren, allerdings ist klar, dass ich deutlich weniger Informationen habe als das Management. 

Dividenden könnten nun ein Hilfsmittel sein, um den Aktionären etwas zu symbolisieren. Nämlich Firmen, die steigende Dividenden haben werden diese Dividenden wohl auch in Zukunft ausschütten – auch wenn es hier immer auch zu negativen Überraschungen kommen könnte. 

Steuern und Kapitalallokation

Kurze Antwort in drei Teilen: 

  1. Am besten ist es Gewinne und Cashflow zu reinvestieren. 
  2. Mit Fremdkapital kann man die Steuerlast mindern. 
  3. Aktienrückkäufe sind fast immer steuerlich besser als Dividendenausschüttungen.

Das war die kurze Antwort. Die lange Antwort kann man so pauschal nicht geben. “Es kommt darauf an” zählt hier mehr als bei anderen Punkten. 

In Deutschland fallen Unternehmenssteuern auf den Gewinn sofort an. Diese Steuern unterscheiden sich allerdings teilweise nach dem Gewerbesteuerhebesatz der einzelnen Gemeinden. Zudem kann es für reinvestierte Gewinne nochmal Steuererleichterungen geben. 

Noch deutlicher wird diese Problematik in Estland. Zwar gibt es mittelhohe Unternehmenssteuern, diese fallen aber erst bei Ausschüttungen an und nicht beim Zeitpunkt der Reinvestition.

In Panama und anderen Staaten mit Territorialsteuersystem fallen Steuern auf Gewinne an, die im Inland produziert wurden. 

Auf Dividenden fallen dann oft Quellensteuern an. Zudem Steuern bei den Anlegern, die die Quellensteuerbelastung teilweise verrechnen können im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen. Teilweise geht dies nicht. Und teilweise ist es in der Praxis mit so viel Bürokratie verbunden, dass dies nicht praktikabel ist. Die Quellensteuern liegen oft bei ca. 10-30% und auf Dividenden fallen in vielen Staaten für Privatanleger nochmal Steuern von 10-30% an. 


Bei Aktienrückkäufen fallen oft keine Steuern an. Kanada hat allerdings besondere Steuern nun auf Aktienrückkäufe eingeführt. Zudem fallen oft bei Aktiengewinnen letztlich weniger Steuern an – insbesondere bei längeren Haltefristen – als bei Dividenden und reinvestierten Dividenden. 

Weiterführende Überlegungen zu Steuern und Kapitalallokation:

Die Steuerproblematik ist höchstgradig komplex. Gehen wir mal von einigen Beispielen aus:

Carnival ist eine Kreutzfahrgesellschaft. Sie haben ihren Firmensitz in Panama und müssen somit auf Einkommen außerhalb Panamas keine Steuern zahlen. Wenn jetzt in Panama ansässige Aktionäre Dividenden beziehen, so sind diese wiederum direkt in Panama steuerpflichtig. Das Hauptquartier befindet sich in den USA. Wie dies dann berechnet wird bleibt fraglich. 

Beispiel: AG, welche Gewinne in Deutschland schmälert, indem eine Tochter aus Bermuda Kredite an diese AG vergibt. Hier kommen eine ganze Reihe von Regelungen zur Anwendung, damit genau dies nicht standardmässig funktioniert und durch Fremdkapital Gewinne so nicht geschmälert werden können. 

Tabakkonzerne in Großbritannien. In Großbritannien gibt es keine Quellensteuern. Tabakkonzerne, die traditionell hohe Dividenden ausschütten haben hier also einen Vorteil, allerdings können auf die Dividendeneinnahmen bei Privatpersonen wieder Steuern anfallen, je nach Wohnsitz. Wie sich dies dann im Vergleich zu US Quellensteuern verhält, die dan ggf. Teilweise auf die persönliche Besteuerung anrechenbar ist, muss jeder selbst berechnen. 

Nochmal kurze Zusammenfassung:
Etwas Fremdkapital ist hilfreich. Lieber reinvestieren und lieber Aktienrückkäufe als Dividenden. Aber es gibt 1000 weitergehenden Überlegungen! 

Zusätzliche Investitionen oder Kapital zurückgeben?

Steuerlich sind Investitionen fast immer besser als Kapital an Aktionäre zurück zu geben oder Schulden zurück zu zahlen. Aber dies bedeutet nicht, dass es aus Gesamtsicht besser ist. 


Viel hängt davon ab, wie hoch die Kapitalkosten sind und wie groß die Erwarteten Erträge aus der Zusatzinvestition sind. Besonders attraktiv ist es, wenn eine Firma einen hohen Return on Capital hat und insbesondere wenn eine Unternehmung einen hohen Return on incremental capital hat. Also wenn jede zusätzliche Investitionen sogar höhere durchschnittliche Renditen abwirft als im Durchschnitt der Firma. 

Beispiel: Banken weiten Investitionen im Filialnetz aus

Wenn also eine Bank eine Eigenkapitalrendite von 10% in den letzten Jahren hatte, dann kann diese Bank auf dieser Basis überlegen, ob sie eine zusätzliche Filiale in einer Nachbarstadt eröffnen will. Im besten Fall wird die neue Filiale eine höhere Eigenkapitalrendite von 10% haben und sogar einen positive Effekt auf andere Filialen, die dann wiederum höhere Renditen erreichen können. 

Beispiel: Netzwerkeffekte

Wo können wir dies sehen: Bei allen klaren Netzwerkeffekten. Beispiel: Ein Zusatzmodul bei Airbnb, wo Kunden sich günstiger und verlässlicher als sonstwo einen Mietwagen dazubuchen können. Dies könnte einerseits selbst hochprofitabel sein andererseits aber auch Airbnb an sich nochmal attraktiver machen. 

Aber natürlich gibt es auch zusätzliche Investitionen, die massiv Wert vernichten. Manchmal dachten Manager ex-Ante, dass diese Investitionen Wert schaffen, aber ex-Post stellte sich raus, dass es falsche Annahmen gab. Oft geht es aber nicht um eine kluge Kapitalallokation. In manchen Fällen hört man schon in den Calls und Begründungen, dass das Management keine Kluge Kapitalallokation Strategie hat. 

Am 07. Oktober 2021 gab Vonovia einen großen, 250 Millionen Euro Kredit an Aggregate, eine Holdinggesellschaft eines zwielichtigen Geschäftsmannes, der die Immobilienfirma Adler kontrollierte. 

Ursprünglich, so hatte Buch oft betont, sei es strategisch gut, bei einem Wettbewerber wie Adler einen Fuß in der Tür zu haben.

Quelle.

Es gibt in diesem Fall von Vonovia eine Reihe weiterer Aussagen, die alle den Schluss nahe legen, dass es nie darum ging ein gutes Ergebnis für Aktionäre zu erreichen, sondern um andere Anliegen. 

Dividendenrenditen? Für den Müll!

Wer sich einmal mit dem süßen Gift der Dividenden beschäftigt hat, kommt nur schwer davon los. Im Internet wird sehr häufig nach Dividendenaktien und hohen Dividendenrenditen gesucht. Ich kann davor nur warnen. Intellektuell ist dies oft nicht besonders sinnvoll und doch sehe ich selbst, dass ich immer begeistert bin, wenn ich irgendwo 6% Dividendenrenditen sehe. 

Zuerst: Es ist eigentlich immer steuerlich sinnvoller Aktienrückkäufe zu tätigen anstelle von Dividendenzahlungen. 

Davon unabhängig ist es aber immer dann problematisch, wenn die Dividendenzahlungen nicht durch Cashflows oder Gewinne gedeckt sind. Daher spielt die Coverage Ratio eine große Rolle. Also wie viel Prozent der Gewinne müssen ausgeschüttet werden. Natürlich kann es in Krisenzeiten mal über 100% gehen, aber über einen normalen Zyklus hinweg sollten die Coverage Ratio unter  50% liegen. 

Problematisch ist zudem wenn zwar nur ein Teil der Gewinne ausgeschüttet werden, aber mehr als es Cashflow gibt. Dies kann man teilweise bei Vonovia beobachten. Hier werden üppige Dividenden ausgeschüttet, obwohl die Firma dafür eigentlich kein Cash hat und immer neue Schulden aufnimmt. 

Besser: Shareholder Yield!

Eine viel sinnvollere Betrachtung ist daher der Shareholder Yield. Man schaut dabei auf 3 Bereiche: Dividenden, Aktienrückkäufe und Verschuldung. Es bringt den Aktionären ja nichts, wenn eine Firma zwar Dividenden zahlt, aber die Verschuldung massiv erhöht. 

Von daher ist das Konzept einfach und wurde von Hu und Priest 2007 so formuliert: 

Quelle: Hu / Priest 2007.  Lesenswert!!! Dazu gibt es auch ein weiteres Priest McClelland 2007 Paper, welches ich allerdings noch nicht gelesen habe.

Die Problematik bei Shareholder Yield ist, dass die Zusatzinvestitionen und das incremental ROIC nicht betrachtet wird. Aber gerade dieses macht oft den Kicker bei Investitionen aus. Trotzdem ist der Shareholder Yield ein Konzept, was viel besser ist als Dividendenrendite oder Überlegungen über Aktienrückkäufe. 

Eine einfache Übersicht über Shareholder Yield Aktien gibt es hier bei Validea (mittlerweile hinter Bezahlschranke…)

Die Shareholder Yield Überlegungen überschneiden sich zu einem großen Teil mit dem Free Cashflow Konzept


Shareholder Yield und Bankaktien

Bei Banken ist es schwierig die Fremdkapitalseite überlegt zu betrachten. Wer sich allerdings einfach Dividenden und Aktienrückkäufe ansieht, der kann feststellen, dass viele der von mir vorgestellten besten Banken der Welt sehr hohe Shareholder Yields haben, andere aber sehr niedrige….

Besten Banken der Welt und adjusted Shareholder Yield…

Hoher Shareholder YieldNiedriger Shareholder Yield
CitigroupHingham Savings
Bank of New York MellonLHV
JPMNubank

Shareholder Yield ist also oft keine alleinige sinnvolle Größe. Banken, mit hohen Shareholder Yields und starkem Risikomanagement sind fast immer sehr sehr gute Banken. Banken und Fintechs mit niedrigen oder negativen Shareholder Yield sind nur dann gut, wenn sie gleichzeitig profitabel wachsen. Hingham und LHV haben dieses profitable Wachstum über viele Jahre bewiesen. Nubank wächst extrem stark, aber es gibt hier noch Fragezeichen was die Profitabilität angeht und sie haben einen negativen Shareholder Yield….

Aktienrückkäufe: Große Klappe, (oft leider) nichts dahinter!

Bei Aktienrückkäufe ist die Problematik so, dass Aktienrückkäufe oft groß angekündigt werden. Unter dem Strich gab es aber dann manchmal keine Aktienrückkäufe, da Aktien an Manager ausgegeben wurden. Insbesondere bei Technologieaktien ist dieses Problem leider weit verbreitet. Beispiele kann man dazu Hunderte finden….

Hier mal Service Now. Eine vergleichsweise gute Techfirma.

Quelle: Tikr

Im Jahr 2021 hat Service Now für über 600 Millionen Dollar eigene Aktien zurück gekauft. Also Potentiell wirklich stark. Die Stock Based Compensation hat allerdings 1,13 Milliarden betragen. Wenn man nur auf Aktienrückkäufe schaut, dann sieht man, wie schön Service Now die Aktienrückkäufe Jahr für Jahr steigert. Wir schauen lieber nicht auf die gesamte Aktienanzahl: 

Quelle: Tikr

Die Anzahl der Aktien erhöht sich jedes Jahr. Also jedes Jahr muss der Kuchen in mehr Stücke zerteilt werden…. In solche Aktien sollte man – wenn überhaupt – nur investieren, wenn es gleichzeitig starkes Wachstum und gute Zukunftsaussichten gibt. 

Timing von Aktienrückkäufen – ein weiteres Problem? 

Das Timing ist häufig ein großes Problem. Banken haben in 2019 Aktien teuer zurück gekauft und dann diese Rückkäufe 2020 eingestellt. Dies war aber teilweise so von Regulatoren gewünscht. Schauen wir also mal auf Facebook:

Quelle: Tikr

Der Aktienkurs von Meta hat sich durchaus ziemlich volatil entwickelt. Erst eine starker Fall im März 2020, dann eine 18 Monate andauernde Boomphase und anschließend ein starker Abverkauf. Am besten wäre natürlich (?), wenn Meta die eigenen Aktien günstig zurück gekauft hätte. Aber so kam es nicht….

Quelle: Tikr

Meta hat letztlich vor allem Mitte 2021 Aktien zurück gekauft. Zu einer Zeit, als diese sehr hoch bewertet waren. Vielleicht stand der Aktienkurs auch wegen der Aktienrückkäufe so hoch und ist nun deutlich runtergekommen, als sich die Rückkäufe verringerten. Sollten diese nun allerdings so weiter gehen, dann könnte sich auch der Kurs wieder gut erholen. 

Ein Gegenbeispiel: Berkshire! 

Aktienrückkäufe und langfristige Performance

Bei Unternehmen, die langfristig leicht steigende Umsätze und Gewinne im Geschäft haben, können Aktienrückkäufe (netto nach SBC) ein stark positiven Einfluss haben. Dazu diese beiden Charts von zwei Firmen, die ich im Portfolio habe und die massiv eigene Aktien zurück kaufen: 

Charter: 

Quelle: Tikr

Davita: 

Quelle: Tikr


Achtung: Beide haben nun mit zurückgehenden Wachstum zu kämpfen. Von daher ist ein Teil des Kursrückgangs in den letzten Monaten berechtigt. Ich glaube aber, dass dies übertrieben ist. Gehe eher von stagnierenden Umsätzen aus und wenn die Aktienrückkäufe beibehalten werden können, dann sollte hier starker Wert für Aktionäre geschaffen werden. 

Aktienrückkauf Timing irrelevant auf Aktionärsebene? 

Leider finde ich gerade nicht den Artikel. Aber man kann gut begründen, warum der Zeitpunkt der Aktienrückkäufe kaum eine Rolle spielt. Denn wenn man meint, dass eine Aktie überbewertet ist, dann könnte man als Aktionär verkaufen und wenn man meint, dass diese unterbewertet ist, könnte man kaufen. Von daher wäre es irrelevant ob Firmen ihre Aktien “überteuert” zurück kaufen. Diese Sicht blendet aber natürlich bewusst Transaktionskosten und Steuern aus… 

Die Quellen und Diskussionen dazu möchte ich gerne hier verlinken, aber ich habe es gerade nicht gefunden. Wer Artikel dazu hat, bitte mir Bescheid geben (LinkedIn, Twitter etc.) 

Kapitalallokation weitere Themen: 

  • Case Study Berkshire
  • Managementinzentivierung und Probleme
  • Aktienrückkäufe langfristig
  • Return on Capital und Return on incremental Capital (hatte ich nur kurz angesprochen)
  • Dividenden und Aktienrückkäufe im Vergleich zur Verschuldung
  • Rolle von FCF
  • Kulturelle und regulatorische Überlegungen (Banks, US vs. Europe) 
  • Dividenden und Aktienrückkäufe und Optionen (kompliziertes Thema!!!)
  • Case Study: BUD (Anheuser Busch)
  • Case Study: Constellation Software (incremental FCF!)
  • Case Study: Charter vs. Comcast (beide gut, aber Charter spielt Zinsen/Kredite)
  • Case Study: Citigroup (kein Wachstum, aber massive Buybacks. Gut?!?)
  • Case Study: Henry Singleton!!! 

Im Prospekt von Unternehmen wird das Thema Dividenden oft klar angesprochen. Die Nubank merkte damit an, dass auch in den nächsten Jahren keine Dividendenzahlungen vorgesehen sind. Anleger haben somit eine klare Perspektive.