Dieser Artikel wird ständig weiter entwickelt. Ziel: Ende 2022 einen umfassenden Artikel über Free Cashflow. Gerne kommentiert auf MarxenBrothers Youtube, damit ich auf eure Punkte eingehen kann.
Was ist Free Cashflow?
Free Cashflow und Banks
Banks und Versicherungen werden anders betrachtet. Hier macht Free Cashflow wenig Sinn.
Free Cashflow als Bewertungsmaßstab
Free Cashflow im Vergleich zum Enterprise Value ist eine der striktesten Multiples um Aktienbewertungen vorzunehmen. Es wird häufig über einen Zyklus bei den Bewertungsmaßstäben gesprochen. In den verrücktesten Boomzeiten werden “normale” Bewertungsmaßstäbe ausgesetzt. In 1999 und 2000 waren es plötzlich Klickzahlen, die am wichtigsten waren. Im Jahr 2021 Total Addressable Market (TAM) und ggf. Noch EV im Vergleich zu Verkäufe.
In absoluten Crashphasen spielen Shiller-KGVs, Dividendenrenditen und vor allem FCF-Renditen bzw. FCF im Vergleich zum Enterprise Value die größte Rolle. Im Jahr 2022 sind wir innerhalb von wenigen Monaten von einem Extrem von Price/Sales und EV/Sales hin zu EV/FCF gegangen.
Im Oktober 2022 gibt es viele Firmen mit FCF Renditen von deutlich über 10%. Es sind also auch unter Betrachtung der höheren Zinsen sehr attraktive Renditen.
Wie wird FCF berechnet?
Es gibt verschiedene Berechnungsmethoden, die oft zu wirklich unterschiedlichen Ergebnissen führen. Einige Unterschiede kommen aus CapEx Berechnung oder auch wie Stock-Based Compensation in die Cashflowrechnung mit einbezogen werden soll. Die Unterschiede können daher teilweise besonders groß sein.
Generell: Man nehme die Gewinne aus der Gewinn und Verlustrechnung. Addiert dann Abschreibungen und andere Non-Cash Kosten und ggf. Werden Stock-Based Compensations wieder hinzugefürt. Dies ergibt dann den Operativen Cashflow.
Davon werden dann die Investitionen (CapEx) abgezogen und es ergibt sich dann der Free Cashflow.
Was sind die häufigsten Probleme und Fallstricke bei FCF Berechnungen und Vergleiche?
Das Problem mit den Abschreibungen….
Die Buchhalterische Abschreibung und die wirkliche Abschreibung könnte stark unterschiedlich sein. Beispiel: Ist es ok, dass Netflix die eigenen Werke über 4 Jahre abschreibt? Bei vielen Netflix Produktionen wäre vielleicht eine schnellere Abschreibung besser begründet. Anders bei Disney, wo viele Produktionen darauf ausgelegt sind Nachfolgewerke und Merchandising zu begründen. Hier könnte ggf. Also weniger abgeschrieben werden.
Das Problem mit den Investitionen….
Handelt es sich um Reparaturen und Investitionen nur um den Status Quo zu erhalten, oder wirklich zusätzliche Investitionen, die mit Wachstum und einer Ausweitung des Geschäfts verbunden sind. Im ersten Fall sollten diese Investitionen von den Cashflows abgezogen werden, im zweiten Fall sind sie eher eine Art, wie Cashflows genutzt wurden. Hier könnte man wieder über Netflix diskutieren. Sind Produktionen in 2022 nun eine Ausweitung, oder notwendig um jetzige Kunden bei der Stange zu halten, die alle abspringen würden, wenn es keine neuen Produktionen mehr geben würde? Je nach Quelle hat Netflix daher entweder einen sehr kleinen FCF oder einen sehr hohen FCF.
Was ist mit Kernkraftwerksbetreiber? Wie werden dort die Investitionen verrechnet. Oder noch kritischer: Telekommunikationsunternehmen. Müssen sie diese hohen Investitionen tätigen um weiter Konkurrenzfähig zu bleiben und ihre Kunden zu halten (wahrscheinlich ja). Aber ist es nicht gleichzeitig eine wirkliche Weiterentwicklung, wenn von LTE auf 5G umgestellt wird (auch dies stimmt). Man müsste also genauer hinschauen. Ein einmal gebautes, lokales Kabelnetz ist letztlich eine Art Monopol.
Die Entwicklung des Free Cashflow
Wie entwickelte sich der FCF in den letzten Jahren? Dies wiederum lässt Rückschlüsse darüber zu, ob es sich wirklich um FCF handelt. Beispiel: Eine Firma wächst und schrumpft nicht. Hat hohe FCF generiert und diese für Schuldenrückzahlung, Aktienkäufe und Dividenden ausgegeben. In diesem Fall also wirkliches FCF. Comcast könnte ein solches Beispiel sein. Apple auch. Charter hat zwar hohe Aktienrückkäufe, allerdings keine Dividenden und etwas steigende Schulden – also schon etwas eingetrübte Bilanz.
Bei Fresenius und Fresenius Medical Care sieht man sehr hohe Free Cashflows, aber die Aktienrückkäufe und Dividenden sind bescheiden und Schulden werden erhöht. Der Großteil des FCF floss in Investitionen und insbesondere in Übernahmen, doch diese führten nicht zu höheren Umsätzen, Gewinnen und Cashflows sondern dieser sank sogar. Wir müssen also hier etwas die FCF anzweifeln.
Die Problematik mit Zukäufen (Beispiel Fresenius)
Wie erwähnt, wenn der Cashflow genutzt wird um Zukäufe zu tätigen so muss genau geschaut werden, wie sich dies auf die Zahlen auswirkt und ob die Firma dabei mit Disziplin vorgegangen ist. Ein Beispiel mit fraglichem Trackrecord ist Fresenius. Ein Gegenbeispiel ist Constellation Software. Constellation hat die FCFs für Zukäufe aufgewand und diese Zukäufe haben zu deutlich höheren FCFs geführt. Die große Anzahl der Zukäufe und die lange Dauer deutet darauf hin, dass dies über viele Jahre sehr gut funktionierte und in der DNA der Firma verankert ist.
Das Problem mit Share Based Compensation (Beispiel Salesforce)
Bei manchen Berechnungen (FCFE) z.B. im Tikr Terminal wird SBC dazugerechnet um den FCF zu berechnen. Doch eigentlich sind SBC ja Kosten und es hilft den Aktionären nicht wirklich, wenn der hohe FCF komplett oder zu einem großen Teil für SBC ausgegeben wird. In den USA sind viele Technologiefirmen hier Negativbeispiele. Salesforce und Tesla hatten sehr hohe SBC Koten im Jahr 2021. ServiceNow hatte 2021 einen FCFE von ca. 1.3 Milliarden. Dies hört sich allerdings zu gut an, dann wenn man die 900 Millionen an SBC davon abzieht, dann bleiben gerade mal 400 Millionen übrig.
Das Problem mit Prepayments (Tesla, Airbnb erhielten Geld)
Nicht trivial ist auch, wie Prepayments eingerechnet werden. Tesla war ein großer Meister darin. Man hat potentielle Käufer auf Wartelisten gesetzt und schonmal Geld von ihnen eingenommen. Dies führte zur Rettung Teslas vor einer Insolvenz. Bei Airbnb ist es nicht ganz so massiv, aber auch Airbnb nimmt normalerweise das Geld zum Zeitpunkt der Buchung und zahlt es erst nach oder am Anfang der Meitperiode an den Gastgeber aus. In der Zwischenzeit hat Airbnb also einiges an Geld auf der Bilanz. Dies sollte sich insbesondere in Q2 vor der großen Reisesaison positiv äußern und sich dann in Q3 wieder einigermaßen normalisieren.
FCF und Rohstofffirmen (Ölreserven gehen runter… wirklich fcf?) schmelzende eisberge
Im Jahr 2022 sind Ölfirmen und andere Rohstofffirmen ware FCF Monster. Wenn man sich manche Umweltaktivisten anhört, dann sollten die Ölfirmen nur noch wenige gute Jahre vor sich haben. Ja, es ist zwar richtig, dass es FCF von 20% gibt, aber dies wäre dann auch nötig um genug Geld für die restliche Periode einer solchen Firma zu verdienen.
Auch Moderna, Biontech und Pfizer aber auch Quidel hatten wegen Corona eine Sonderkonjunktur, die nun zurück geht. Auch hier sieht man eher kurzfristige, erhöhte FCFs, die wieder sinken sollten.
In diesem Sinne: FCF und Unternehmenswachstum (fme vs DVA)
Interessant ist, wenn Unternehmen FCF generieren und diese Cashflows kontinuierlich steigern können. Ggf. auch durch AKtienrückkäufe. Davita und Charter sind zwei Firmen, die dies exemplarisch geleistet haben. Hohe FCF Renditen werden aufgewand um eigene Aktien zurück zu kaufen, bei ansonsten stabilen und leicht mit der Inflation wachsendem Geschäft. Dies führt dann oft zu Wachstum des Free Cashflow von 5-10% jährlich.
What about NWC changes…
Problematisch sind Änderungen des Working Capital. Wenn eine Firma mehr Working Capital braucht, dann hat dies kurzfristig einen negativen Einfluss auf den Free Cashflow, zumindest je nach Berechnungsmethode.
FCFF vs FCFE
Unterschiedliche, weit verbreitete BErechnungsmethoden. Zudem unterschiedliche Betrachtungszeiträume. Häufig TTM, letztes Kalenderjahr und t+1 Schätzung.
Einfach: Bilanz + Aktienanzahl + Dividende
Dies ist die altbewährte Herangehensweise von Buffett, Graham und Munger. Man braucht dann kein Cashflow statement mehr, sondern schaut sich einfach an, was wirklich passiert ist. Neben Bilanz, Aktienanzahl und Dividende sollte man natürlich noch Zukäufe betrachten. Es braucht dann keine komplizierten Rechnungen mehr, sondern es wird direkt sichtbar, wie sich Cashflows entwickeln. Besonders spannende Firmen: Colgate und CocaCola, die jeweils viele Dividenden aber auch hohe Aktienrückkäufe generierten ohne gleich die Verschuldung groß zu steigern. Wirkliche FCF Monster und gleichzeitig die zwei stärksten Marken der Welt!
Das Problem mit vested and granted, vested, unvested equity.
SBC Problematik hatte ich oben angesprochen. Doch dies ist oft nur die jährliche Perspektive. Was wurde mündlich versprochen, granted, vested, unvested. Die SBC Problematik ist durchaus ziemlich tiefgreifend.
Angst und Gier bei Bewertungsmaßstäben.
Am Höhepunkt der Gier: Klickzahlen sind wichtig. TAM ist wichtig. Vielleicht noch Price/Sales.
Am Höhepunkt der Angst: FCF ist das einzige was zählt. Vielleicht noch netnets, wenn man welche findet. Und ggf. Sind Shiller-KGVs erlaubt.
Zwischen Gier und Angst: Viel KGV, Dividendenrendite, etwas Kurs-Buchwert und Kurs-Umsatz Verhältnisse in der Analyse.