Lektionen für die Analyse von Bankaktien
Die hochgelobte Silicon Valley Bank, die sich auch im Portfolio von Richard Parsons befand, ist Pleite. Auch die Credit Suisse ist keine unabhängige Bank mehr, sondern wurde von Regulatoren in einer Nacht-und-Nebel Aktion an die UBS verkauft. In diesem Artikel geht es darum zu sehen, ob es für diese beiden, durchaus sehr unterschiedlichen Pleiten Anzeichen gab und ob dies einfach zu erkennen war.
Kurz: Ich glaube ja! Und hatte in Videos vorher schon davor gewarnt.
Situation: Regulatoren übernehmen Silicon Valley Bank
US Regulatoren übernehmen die Kontrolle der Silicon Valley Bank am Wochenende des 10. bis 12. März. Die Silicon Valley Bank war unter den 20. größten US Banken und die größte Bankpleite seit der Finanzkrise im Jahr 2008.
Situation: UBS kauft Credit Suisse
Die UBS übernahm die Credit Suisse für den kleinen Preis von 3 Milliarden an Altaktionäre, die in den letzten Jahren Verluste von mehr als 90% hinnehmen mussten. Abgesichert wurde diese Übernahme durch die schweizer Notenbank und die Regulatoren, die mit 9 Milliarden Franken Risiken übernehmen und 200 Milliarden an Liquidität zur Verfügung stellen. Inwiefern die UBS freiwillig oder zumindest aufgefordert wurde die Credit Suisse zu übernehmen bleibt fraglich.
Post Mortem: Lektionen für die Analyse von Banken
Mir war die Silicon Valley Bank in der Vergangenheit suspekt. Direkt als Pleitekandidat hatte ich diese Bank allerdings nicht identifiziert, sondern nur als erhöhtes Risiko angesehen.
Gefallen hat mir dagegen der klare Fokus der Silicon Valley Bank auf Startups. Dies führt zu zusätzlichen Gefahren, insbesondere nach dem Boom von Crypto und Fintech, aber auch dazu, dass die Bank einen möglichen Wettbewerbsvorteil hatte und nicht im Preiswettbewerb mit anderen Banken stand.
Die Credit Suisse war dagegen seit Jahren ein Pleitekandidat. Einerseits durch schlechtes Management und ständige Gerichtsprozesse und Strafen. Andererseits aber auch dadurch, dass die Bank im eigentlichen Kerngeschäft keine Gewinne erzielen konnte, da die Kostenstruktur zu hoch war.
In der Rückschau will ich nun überprüfen, welche Kennzahlen und Punkte vielleicht auf eine Pleite hingedeutet haben und was dagegen gesprochen hätte, oder welche Kennzahlen für Banken vielleicht relativ wenig Bedeutung haben.
Auch in Anbetracht weiterer, wackelnder Banken von Deutscher Bank bis First Republic ist es wichtig hier nochmal Klarheit zu schaffen und andererseits zu sehen, ob die Banken, die ich eher positiv sehe, wie Bank of America, JPM oder insbesondere Bancolombia auch Warnzeichen haben.
Der entscheidende Punkt soll dabei eine klare Unterscheidung sein in vier Gruppen:
- Pleitekandidaten
- Banken mit größeren Gefahren
- Banken mit niedriger Gefahr (und im besten Fall hohen Renditeerwartungen)
- Und Banken, die man in keine der oben genannten Kategorien einsortieren kann.
Viele Kapitalmarktteilnehmer sprechen davon, dass man Banken nicht sinnvoll analysieren kann und alles Banken immer kurz vor einer möglichen Pleite stehen und es sinnvoll ist überhaupt nicht in Banken zu investieren. Dies sehe ich natürlich anders, muss aber dafür einen Werkzeugkasten haben, der mir hilft gute von schlechten Bankinvestitionen zu unterscheiden.
In diesem Artikel möchte ich mir quantitative Größen ansehen, wobei natürlich auch qualitative Aspekte wie Fokus, Management und Branding eine große Rolle spielen.
- Wachstum
Wachstum bei Banken ist in meiner Sicht ein großes Warnzeichen, wie im Artikel über Bankkennzahlen beschrieben. Schauen wir also, ob Kreditwachstum oder Bilanzsummenwachstum ein Warnzeichen in diesem Fall waren:
2020 | 2021 | 2022 | |
Kredite | 36% | 47% | 12% |
Bilanzsumme | 63% | 83% | 0% |
Einlagen | 65% | 86% | -9% |
Quelle: diese Daten und die weiteren Daten kommen von Tikr.com
Silicon Valley Bank ist in den letzten Jahren extrem stark gewachsen. Also ein klares Warnzeichen. Gleichzeitig gab es im Jahr 2022 einen substantiellen Rückgang der Einlagen um 9%, was ein Anzeichen für ein baldiges ausbrechen der Krise war, falls dieser Trend nicht sofort gestoppt würde.
Bei Credit Suisse sah die Sache ganz anders aus. Seit Jahren gibt es ein leichtes Negativwachstum. Dieser Schrumpfkurs hat sich im Jahr 2022 nochmal deutlich beschleunigt. Also auch hier deutete vieles auf eine sich verschärfende Krise hin.
- ROE
ROE ist ein weiterer wichtiger Indikator für Banken. Dabei schaue ich aber lieber nicht kurzfristig auf einen möglichst hohen ROE, sondern auf Returns on Equity, die dauerhaft hoch sind und auch Krisenphasen gut mitmachen.
Credit Suisse zeigt ein sehr schwaches Bild.
Hier zeigte sich in den Jahren 2016 bis 2022 einerseits sehr schwache Ergebnisse aber vor allem auch hohe Schwankungen.
Bei Silicon Valley Bank sah es optimisch besser aus:
Kontinuierlich hohe Eigenkapitalrenditen. Allerdings auch hier große Schwankungen! So ging es von 2017 auf 2018 stark nach oben.
Sowohl bei der Silicon Valley Bank als auch bei der Credit Suisse trübte sich das Bild im Jahr 2022 ein. Beide Banken erreichten hier den schlechtesten Wert der letzten Jahre – ein weiteres Warnzeichen neben den großen Schwankungen.
- ROA
Die Eigenkapitalrendite kann allerdings dadurch beeinflusst werden, indem die Bank besonders viele Nachranganleihen vergibt und eine sehr niedrige Eigenkapitalbasis vorhält. Banken mit sehr viel Eigenkapitalanteil wie die norwegische DNB haben also eigentlich oft eine wesentlich bessere Ertragskraft, als der reine Blick auf die Eigenkapitalrendite zeigt. Von daher lohnt es sich auch auf die Gesamtkapitalrendite zu schauen. Werte über 1% sind sehr gut, über 0,7% akzeptabel. Aber auch hier ist mindestens genauso wichtig, dass die Schwankungen möglichst gering sind.
Bei der Silicon Valley Bank waren diese Schwankungen allerdings in den letzten Jahren ziemlich hoch:
Insgesamt war die Bank allerdings hochgradig profitabel, nicht nur was die Eigenkapitalrendite angeht, sondern auch bei Betrachten des Gesamtkapital.
Die Credit Suisse war dagegen seit Jahren unprofitabel und dieses Problem hat sich in den letzten Monaten sogar noch verschärft.
- Liquidität
Wie sah es um die Liquiditätssituation der beiden Banken aus? Bei der Credit Suisse ist dies etwas schwierig nachzuvollziehen. Daher werde ich mich hier nur auf die Silicon Valley Bank fokussieren.
Ich schaue mir die zinslosen Einlagen an und vergleiche diese dann mit Cash&Equivalents.
Silicon Valley Bank
2021 | 2022 | |
Zinslose Einlagen | 126,000 | 81,000 |
Cash&Equivalent | 8300 | 5300 |
Hier zeigt sich, dass die zinslosen Einlagen innerhalb von 2022 um über 40 Milliarden gefallen sind, es aber nur 8 Milliarden an Liquidität gab. Falls die Bank ein solchen Fall von zinslosen Einlagen für möglich gehalten hätte, dann hätte sie sehr wahrscheinlich deutlich mehr Liquidität vorgehalten. Also auch aus dieser Sicht ein klares Warnzeichen!
Fazit zu Credit Suisse und Silicon Valley Bank
Aus rein quantitativer Sicht sahen beiden Banken gefährdet aus. Die Credit Suisse war seit Jahren in einem langsamen Abwärtstrend, der sich 2022 verstärkte. Die Silicon Valley Bank war auch in den letzten Jahren immer wieder starken Schwankungen ausgesetzt. Auch dort gab es eine negative Tendenz in 2022.
Zudem gab es eine reihe qualitativer Risikomerkmale und viele weitere quantitative Risikomerkmale, die hier nicht tiefer besprochen werden. Es sei nur erwähnt, dass ich das Management beider Banken kritisch sah, insbesondere aber das Management der Credit Suisse.
Bancolombia unter der Lupe
Die Gefahr ist nun, dass alle Banken gefährdet aussehen – und vielleicht sind sie dies ja auch. Wenn ich aber in Banken investieren möchte, dann sollte es auch Banken geben, die obige quantitative Analyse bestehen und dabei glänzen.
Meine größte Bankenposition Anfang 2022 ist Bancolombia, eine der führenden kolumbianischen Bankengruppen, die neben dem Heimatmarkt auch in Ländern Zentralamerikas aktiv ist. Wiederum schaue ich auf die Daten für CIB (also dem ADR) bei Tikr.
Kurzer Blick auf die einzelnen oben betrachteten quantitativen Punkte:
- Wachstum. Hier zeigt sich Bancolombia in USD betrachtet sehr stabil. In der Landeswährung gibt es ein gewisses Wachstum aller Punkte, welches allerdings wieder durch einen stärker werdenden US Dollar im Vergleich zum COP aufgehoben wird. Hier sind die Zahlen in der Übersicht:
- ROE. Durchweg sehr gut, aber mit einem großen Ausreißer 2020 während der Corona Pandemie. Dies ist nachvollziehbar.
Auffallend: Ein positiver Trend in den letzten Jahren. Dies ist nochmal ein starker Unterschied zu den vorher genannten Banken, die 2023 in Bedrängnis kamen. Gleichzeitig hat Bancolombia proaktiv davon gesprochen, dass 2023-2024 eher etwas schwieriger wird. ROE sollte also von 19-20% auf 15-17% fallen.
- ROA. Ähnlich wie bei ROE.
Sehr hohe Gesamtkapitalrendite und dies relativ konsistent mit der Ausnahme während der Coronapandemie, als Kolumbien deutlich weniger Hilfe den Banken und Unternehmen zur Verfügung stellen konnte als USA oder europäische Staaten.
- Liquidität. Auch hier zeigt sich ein eindeutiges Bild.
2021 | 2022 | |
Zinslose Einlagen | 0 | 0 |
Cash&Equivalent | 3700 | 5100 |
Wir haben also fast keine zinslosen Einlagen, aber gleichzeitig relativ hohe Cash&Equivalents und dies, obwohl die Bilanzsumme insgesamt sehr stabil ist. Schauen wir aber nochmal konkret auf die gesamten Einlagen, um dies besser mit Silicon Valley Bank zu vergleichen.
Silicon Valley Bank 2022 | Bancolombia 2022 | |
Einlagen (gesamt) | 173000 | 52000 |
Cash&Equivalent | 5300 | 5100 |
Cash/Einlagen | 3% | 9.8% |
Auch dieser Vergleich zeigt, dass Bancolombia über wesentlich mehr Liquidität verfügt als Silicon Valley Bank und dies obwohl die Bilanz der Bancolombia viel stabiler war als die der SIVB in den letzten Jahren.
Nach dieser einfachen, quantitativen Herangehensweise deutete also vieles auf Probleme bei Silicon Valley Bank und Credit Suisse hin, aber es deutet nichts auf ähnliche Probleme bei Bancolombia hin.